Beruflicher Eigenbedarf

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, ob die Absicht des Vermieters, die Mietwohnung zu rein beruflichen Zwecken zu nutzen, ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses darstellen kann.

Die Beklagten sind Mieter einer Wohnung des Klägers in Berlin. Mit Schreiben vom 2. November 2009 kündigte der Kläger das Mietverhältnis zum 30. April 2010 und begründete dies damit, dass seine Ehefrau beabsichtige, ihre Anwaltskanzlei nach Berlin in die von den Beklagten gemietete Wohnung zu verlegen. Die Beklagten widersprachen der Kündigung und machten Härtegründe geltend.

Das Amtsgericht hat die Räumungsklage des Klägers abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Landgericht zurückgewiesen.

Die vom Bundesgerichtshof zugelassene Revision des Klägers hatte Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass auch dann, wenn der Vermieter die vermietete Wohnung ausschließlich für seine berufliche Tätigkeit oder die eines Familienangehörigen nutzen will, ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses gemäß § 573 Abs. 1 BGB* vorliegen kann. Dieses ist aufgrund der verfassungsrechtlich geschützten Berufsfreiheit nicht geringer zu bewerten als der in § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB* gesetzlich geregelte Eigenbedarf des Vermieters zu Wohnzwecken. Das gilt umso mehr, wenn sich – wie hier nach dem Vortrag des Klägers revisionsrechtlich zu unterstellen ist – die selbst genutzte Wohnung des Vermieters und die vermietete Wohnung in demselben Haus befinden.

Der Bundesgerichtshof hat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, da dieses zu den für die Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung maßgeblichen Umständen keine Feststellungen getroffen und nicht geprüft hat, ob Härtegründe nach § 574 BGB** vorliegen.

*§ 573 BGB: Ordentliche Kündigung des Vermieters

(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. …

(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn

1. der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat,

2. der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder

3. der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; …

**§ 574 BGB: Widerspruch des Mieters gegen die Kündigung

(1) Der Mieter kann der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Dies gilt nicht, wenn ein Grund vorliegt, der den Vermieter zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt.

(2) Eine Härte liegt auch vor, wenn angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden kann.

Urteil vom 26. September 2012 – VIII ZR 330/11

AG Charlottenburg – Urteil vom 8. Dezember 2010 – 212 C 72/10

LG Berlin – Urteil vom 8. November 2011 – 65 S 475/10

Karlsruhe, den 26. September 2012

Pressestelle des Bundesgerichtshofs

Form der Eigenbedarfkündigung

Der Bundesgerichtshof hat heute eine Entscheidung zum erforderlichen Inhalt eines Kündigungsschreibens bei einerEigenbedarfskündigung getroffen.

Die Beklagte ist Mieterin einer Einzimmerwohnung der Kläger in München. Mit Schreiben vom 29. April 2008 kündigten die Kläger das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs der Klägerin zu 2 zum 31. Januar 2009. In dem Kündigungsschreiben ist ausgeführt, dass die Klägerin zu 2 nach Beendigung eines Auslandsstudienjahrs in Neuseeland ihr Studium in München fortsetzen und einen eigenen Hausstand begründen wolle. In ihr ehemaliges Kinderzimmer in der elterlichen Wohnung könne sie nicht zurück, weil dies inzwischen von ihrer Schwester genutzt werde.

Das Amtsgericht hat der Räumungsklage der Kläger stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Kündigung sei schon aus formellen Gründen unwirksam, weil die Kläger die Gründe für die Kündigung nicht ausreichend dargestellt hätten.

Die hiergegen gerichtete Revision der Kläger hatte Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat seine Rechtsprechung bekräftigt, dass dem in § 573 Abs. 3 BGB* enthaltenen Begründungserfordernis für eine Kündigung des Vermieters Genüge getan wird, wenn das Kündigungsschreiben den Kündigungsgrund so bezeichnet, dass er identifiziert und von anderen Gründen unterschieden werden kann. Dies ist vorliegend der Fall. Bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs reicht es grundsätzlich aus, dass der Vermieter die Person bezeichnet, für die die Wohnung benötigt wird, und das Interesse darlegt, das diese Person an der Erlangung der Wohnung hat. Zudem brauchen Umstände, die dem Mieter bereits zuvor mitgeteilt wurden oder die ihm sonst bekannt sind, im Kündigungsschreiben nicht nochmals wiederholt zu werden.

*§ 573 BGB: Ordentliche Kündigung des Vermieters

(1)Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. (…)

(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn

1.(…),

2.der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder

3.(…)

(3) Die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters sind in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Andere Gründe werden nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind.

Urteil vom 6. Juli 2011 – VIII ZR 317/10

AG München, Urteil vom 7. Juli 2009 – 411 C 4159/09

LG München I, Urteil vom 24. November 2010 – 14 S 15600/09

Karlsruhe, den 6. Juli 2011

Pressestelle des Bundesgerichtshofs

Eigenbedarfskündigung wegen Wohnbedarfs von Familienangehörigen

Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass die Eigenbedarfskündigung wegen des Wohnbedarfs einer Nichte des Vermieters wirksam ist.  Im Sommer 2004 zog die damals 85-jährige Klägerin aus ihrer Eigentumswohnung in Baden-Baden aus und übersiedelte in eine nahe gelegene Seniorenresidenz. Sie vermietete die Wohnung ab September 2004 an die Beklagten zu einer monatlichen Miete von 1.050 €. Im August 2007 übertrug die verwitwete und kinderlose Klägerin das Eigentum an der Wohnung im Wege vorweggenommener Erbfolge auf ihre Nichte; dabei behielt sie sich einen Nießbrauch an der Wohnung vor. In dem Übertragungsvertrag verpflichtete sich die Nichte als Gegenleistung gegenüber der Klägerin, auf Lebenszeit deren Haushalt in der Seniorenresidenz zu versorgen und die häusliche Grundpflege der Klägerin zu übernehmen. Durch Anwaltsschreiben ließ die Klägerin seit August 2007 mehrfach Kündigungen des mit den Beklagten bestehenden Mietverhältnisses aussprechen. Als Kündigungsgrund wurde auch Eigenbedarf für die Nichte aufgrund der Pflegevereinbarung im Vertrag vom August 2007 geltend gemacht. Das Amtsgericht hat die anschließend von der Vermieterin erhobene Räumungsklage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.  Die dagegen gerichtete Revision der Klägerin hatte Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Nichte der Klägerin als Familienangehörige im Sinne § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB* anzusehen ist und die Eigenbedarfskündigung deshalb berechtigt war. Der Bundesgerichtshof hat in Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung zu § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausgeführt, dass nicht nur Geschwister, sondern auch deren Kinder noch so eng mit dem Vermieter verwandt sind, dass es nicht darauf ankommt, ob im Einzelfall eine besondere persönliche Beziehung oder soziale Bindung zum Vermieter besteht.  *§ 573 BGB: Ordentliche Kündigung des Vermieters  (1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.  (2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn  1. …  2. der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder …  Urteil vom 27. Januar 2010 – VIII ZR 159/09  AG Baden-Baden – Urteil vom 1. Juli 2008 – 7 C 150/08  LG Baden-Baden – Urteil vom 26. Mai 2009 – 2 S 9/09  Karlsruhe, den 27. Januar 2010